ST. SEVERIN

Pastorin Susanne Zingel, Ostersonntag, 31.03.2024

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der auferstanden ist. Halleluja.

Liebe Gemeinde,
wenn man Euch heute Morgen singen hört, dann kann man leichter an die Auferstehung glauben. Das vielstimmige „Gloria“ gerade war wie eine große Welle, die alle umfängt. Wie schön das klingt. Wir feiern Ostern, und das nach einer langen Osternacht. Ich grüße alle, die gestern in der Nacht hier im Gottesdienst waren. Ja, ein paar von Euch sind hier, die meisten aber nicht. Die schlafen noch, wie viele andere auch. Ich freue mich über alle, dass Ihr hier seid. Wir feiern den Gottesdienst heute so lange, dass alle, die erst um elf Uhr kommen, mindestens noch ein Halleluja hören. Ich freue mich über alle, die hier sind, denn in dieser Nacht wurde die Uhr umgestellt. Eine Stunde weniger Zeit zum Schlafen. Aber am besten doch in so einer Nacht. Wir waren so erfüllt von Auferstehungsenergie, dass wir die Uhrzeiger wirklich springen gesehen haben.

Wir feiern heute einen Quantensprung der Zeit. Und wir sind gestern nicht zum Schlafen gekommen, weil wir uns die ganze Zeit überlegt haben: Ist das jetzt etwas Großes oder ist das jetzt etwas ganz Kleines? Wenn hier jetzt unter uns Quantenphysiker sind, dann erklärt es uns hinterher noch besser. Das Quant ist das kleinste energetische Maß – es wird immer kleiner und feiner in einem Atom mit seinen Elektronen, aber mit ganz viel Energie gibt es einen Quantensprung, einen Sprung auf ein anderes energetisches Level. Das ist so klein, Du kannst es gar nicht fassen.

Und gleichzeitig geht es um einen ganz großen Quantensprung der Zeit. Christus ist gegenwärtig, als wären die fast 2000 Jahre gar nicht vergangen. Er ist auferstanden mitten unter uns. Das ist ein großer, großer Zeitenbogen.

Wir Menschen tun uns schwer mit der Zeit: Wir haben eine Idee und eine Ahnung von Ewigkeit und gleichzeitig führen wir ein kleines zeitlich begrenztes Leben. Tyrannen und Diktatoren scheitern genau daran: Sie wollen 1000-jährige Reiche gründen oder wollen zurück zu Grenzen von vor hunderten von Jahren, wollen alte Reiche auferstehen lassen und bringen nur Unglück damit. Der Umgang mit der Zeit ist für Menschen nicht leicht.
Das bringt mich dazu, Euch eine kleine Geschichte zu erzählen. Die hat Edi Rama auf einer Sicherheitskonferenz in Slowenien erzählt. Da sagte er: „Ich weiß nicht, ob Sie schon gehört haben, dass in Russland eine Vereinheitlichung seiner Zeitzonen anstand. Denn es gibt einen Unterschied von neun Stunden zwischen der einen und der anderen Seite des Landes. Daraufhin ging der russische Premierminister zu Putin und sagte: ‚Herr Präsident, wir haben ein Problem. Ich habe meine Familie in den Urlaub geschickt. Ich rief sie an, um ihnen ‚Gute Nacht‘ zu sagen, aber dort war es morgens und sie waren am Strand. Ich habe Olaf Scholz angerufen, um ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Aber er sagte, der sei erst morgen. Ich rief Xi Jinping zum neuen Jahr an, und er sagte, es sei noch das alte Jahr.‘ Putin sagte: ‚Ja, das ist mir auch passiert. Ich habe Prigoschins Familie angerufen, um ihr mein Beileid auszusprechen, aber das Flugzeug war noch nicht abgehoben.‘“

Das ist ein gemeiner Witz. Aber weil Prigoschin in diesem Fall die Chance gehabt hätte auszusteigen, weil seine Familie ihn sofort angerufen hätte, dürfen wir einmal darüber lachen.
Dass das Böse sich selbst entlarvt, darüber können wir lachen. Das Böse entlarvt sich selbst. Das ist eine große Hoffnung. Und Ihr kennt alle Edi Rama? Edi Rama ist der Ministerpräsident von Albanien, ein Land, das sich anschickt in die EU zu kommen. Edi Rama ist Sportler und Künstler und kommt aus der Demokratiebewegung in einem Land, das mit Korruption und Kriminalität zu kämpfen hat. Er gibt sein Bestes. Er macht dabei sicher auch Fehler, man kann ihn kritisieren – aber er sagt auf jeden Fall coole Sachen.
Es gibt den Sicherheitsrat der UN. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, hat Edi Rama im letzten Jahr bis zum Jahreswechsel im UN-Sicherheitsrat den Vorsitz innegehabt. Das habt Ihr alle sicher mitbekommen. Da durfte bei einer Sitzung als erster der ukrainische Präsident Selenskyj sprechen. Im Vorfeld beschwert sich der russische Botschafter: das verstosse gegen die Regularien, warum darf der hier überhaupt reden, er hat kein Mandat und ist nicht gewählt… Dazu sagt Edi Rama: Es ist ganz einfach – hören Sie mit dem Krieg auf und der Selenskyj hält sofort den Mund.

Also so zu denken und so etwas zu sagen, das sind Quantensprünge. Den richtigen Moment nicht verpassen, das ist schwer. So schwer, dass wir auf der Ebene gar nicht weiterkommen. Wir kommen im großen Weltgeschehen nur immer weiter hinein in Ratlosigkeiten. Und ich kann gut verstehen, wenn wir uns Ostern daher von einer anderen Seite anschauen.

Quantensprung der Zeit. Die meisten feiern das Osterfest als ein Erwachen des Frühlings: In allen Gärten hängen jetzt die Ostereier, und ich sage Euch, die werden in drei Tagen wieder abgehängt, als wäre das Osterfest vorbei. Und dann geht es schon wieder um etwas anderes, anstatt Ostern zu feiern.
Dabei geht es doch jetzt erst los. Die bunten Ostereier gehören nicht in die Passionszeit, wo wir die ganze Ratlosigkeit über Konflikte im großen Weltgeschehen und in unserem eigenen Leben bedenken. Nein, jetzt kommen die Ostereier zum Einsatz, jetzt entzündet sich das Osterlicht, jetzt kommt die Freude. Und die Schöpfung macht wirklich mit: Am 15. März beginnt die Setz- und Brutzeit und am selben Tag beginnen die Vögel zu singen, als wenn sie sich auch danach richten. Es ist wirklich ein Erwachen der Schöpfung, so bezaubernd und schön, dass Du es Dir vorher gar nicht ausmalen kannst. Und da kann man sagen, in einer Welt, die so schrecklich ist, reicht das doch eigentlich – oder?
Ab und an «I think to my self, what a wonderful world.» Wenn wir das so ab und zu vor uns hin summen, ist es doch auch schon ein schöner Quantensprung. Wenn uns das reicht, gehen wir aus diesem Gottesdienst nicht nur mit einem Gloria hinaus, sondern auch mit einem leichten Seufzer. «I think to my self, what a wonderful world.»
Dies Lied ist eine – vielleicht die Hymne an die Schöpfung. Wir können es alle mitsummen und mitsingen: «What a wonderful world.». Was die meisten nicht wissen, hat mich sehr berührt: Louis Armstrong hatte nur noch ein Jahr zu leben, als er dieses Lied gesungen hat. Seinen größten Welthit, wie er um die ganze Welt wanderte, das hat er gar nicht mehr in seiner ganzen Fülle miterlebt. Erlebt hat er, dass sein Produzent die Aufnahme verbieten wollte. Er sagte, das sei nicht passend in Zeiten voller Konflikte und Proteste – 1967 der Vietnamkrieg, der Tod Kennedys, Rassismus, die Zeiten waren schlimm. Und man sagte Louis Armstrong: Du kannst jetzt nicht so rüberkommen mit:
«I see trees of green Red roses too, I see them bloom for me and you, and I think to myself: what a wonderful world…»

Das kannst Du jetzt nicht bringen. Und er hat sich das wirklich gut und lange überlegt. Kann man das nicht sagen:
«I hear babies cry, I watch them grow, they’ll learn much more, than I’ll ever know. And I think to myself, what a wonderful world.»

Ich höre Babies, wie sie weinen, ich schaue, wie sie wachsen – und in dem Moment sage ich:
Ist es nicht wunderbar? Louis Armstrong beschreibt jedes Mal einen Quantensprung.

Du kannst in einer einzigen Rose das ganze Wunder der Schöpfung sehen. Du kannst in einem Augenblick mit einem Kind das ganze Wunder des Lebens sehen. Du kannst in einer Träne, in einem Lachen, in einer Blüte, in einem Regenbogen, genau wie in einem Regentropfen, die ganze Schöpfung sehen.
Louis Armstrong war schwer herzkrank, als er das sang. Und er wurde gefragt, wie kannst Du das machen? Auf ganz alten Schallplatten ist er mit einem gesprochenen Intro zu hören. Und das kann ich nicht nachmachen – das müsst ihr Euch selbst einmal anhören: Die Stimme von Louis Armstrong, vom Leben gezeichnet, rau und weich zugleich und nahe daran zu brechen, sagt er: «Einige von euch haben zu mir gesagt: Was meinst du mit deiner wunderbaren Welt? Was denkst du über all die Kriege? Das nennst Du wunderbar?»
Er fragt er zurück: «Wie wäre es, wenn ihr mir eine Minute zuhört? Mir scheint es, die Welt ist nicht so schlecht, sondern nur, was wir ihr antun. Und alles, was ich sagen, ist: Sehen Sie, was für eine wundervolle Welt es wäre, wenn wir ihr nur eine Chance geben? Darum:
Love – Baby love!»

Stellt Euch Satchmo vor, wenn er das sagt: «Love – Baby love!»
Ich kann es nicht nachmachen, aber ich kann Euch erinnern. Liebe, Baby, liebe – denn das ist das Geheimnis der ganzen Schöpfung.
«Wenn wir mehr lieben würden, würden wir viel mehr Probleme lösen. Darum: Yeah that’s all what the old Pops says.»

«What a wonderful world» – denn der Herzschlag der Schöpfung ist Liebe. Die offenbart sich nicht erst in Christus. Wenn Du weiter und weiter hineingehst in die Schöpfung, kommst Du genau dorthin, wo Christus anfängt. Er geht in die Wüste, in das Land des Todes, um Gott, dem Schöpfer ganz nah zu sein. Er kommt wieder in einer Kraft, die schöpferisch ist.
Wir sind unterwegs auf einem Planeten, der in jeder Sekunde Auferstehung feiert. Ob Ihr es glaubt oder nicht, es geschieht einfach. Und wir können weit schauen, Astrophysiker können Millionen von Lichtjahren in das Weltall hineinschauen. Und auf Millionen von Sternen kein Leben. Unser winzig kleiner blauer Planet dreht durch einen scheinbar toten Kosmos. Ob dieser Kosmos lebendig ist, weiß Gott allein. Aber hier finden wir eine Fülle von Leben – das ist ein Wunder – absolut.
Da, wo die Schöpfung für uns scheinbar endet, wo es tot ist, da geht Jesus hinein: In die Wüste, in das Land des Todes. Und dann kommt er zurück, und es fängt an sich zu drehen. Und das hört nicht auf, so wie die Erde sich dreht und dreht, solange Gott will. Gott hält es in der Hand
Die Kraft, die die Sonne aufgehen lässt, ist dieselbe Kraft, die Christus auferstehen lässt. Und das ist dieselbe Kraft, die durch Glauben und Vertrauen auch in uns wirken möchte. Geben wir ihr eine Chance.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft behütet uns jetzt und in Ewigkeit

Amen.

 

 

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de

Pastorin Susanne Zingel, Ostersonntag, 31.03.2024

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der auferstanden ist. Halleluja.

Liebe Gemeinde,
wenn man Euch heute Morgen singen hört, dann kann man leichter an die Auferstehung glauben. Das vielstimmige „Gloria“ gerade war wie eine große Welle, die alle umfängt. Wie schön das klingt. Wir feiern Ostern, und das nach einer langen Osternacht. Ich grüße alle, die gestern in der Nacht hier im Gottesdienst waren. Ja, ein paar von Euch sind hier, die meisten aber nicht. Die schlafen noch, wie viele andere auch. Ich freue mich über alle, dass Ihr hier seid. Wir feiern den Gottesdienst heute so lange, dass alle, die erst um elf Uhr kommen, mindestens noch ein Halleluja hören. Ich freue mich über alle, die hier sind, denn in dieser Nacht wurde die Uhr umgestellt. Eine Stunde weniger Zeit zum Schlafen. Aber am besten doch in so einer Nacht. Wir waren so erfüllt von Auferstehungsenergie, dass wir die Uhrzeiger wirklich springen gesehen haben.

Wir feiern heute einen Quantensprung der Zeit. Und wir sind gestern nicht zum Schlafen gekommen, weil wir uns die ganze Zeit überlegt haben: Ist das jetzt etwas Großes oder ist das jetzt etwas ganz Kleines? Wenn hier jetzt unter uns Quantenphysiker sind, dann erklärt es uns hinterher noch besser. Das Quant ist das kleinste energetische Maß – es wird immer kleiner und feiner in einem Atom mit seinen Elektronen, aber mit ganz viel Energie gibt es einen Quantensprung, einen Sprung auf ein anderes energetisches Level. Das ist so klein, Du kannst es gar nicht fassen.

Und gleichzeitig geht es um einen ganz großen Quantensprung der Zeit. Christus ist gegenwärtig, als wären die fast 2000 Jahre gar nicht vergangen. Er ist auferstanden mitten unter uns. Das ist ein großer, großer Zeitenbogen.

Wir Menschen tun uns schwer mit der Zeit: Wir haben eine Idee und eine Ahnung von Ewigkeit und gleichzeitig führen wir ein kleines zeitlich begrenztes Leben. Tyrannen und Diktatoren scheitern genau daran: Sie wollen 1000-jährige Reiche gründen oder wollen zurück zu Grenzen von vor hunderten von Jahren, wollen alte Reiche auferstehen lassen und bringen nur Unglück damit. Der Umgang mit der Zeit ist für Menschen nicht leicht.
Das bringt mich dazu, Euch eine kleine Geschichte zu erzählen. Die hat Edi Rama auf einer Sicherheitskonferenz in Slowenien erzählt. Da sagte er: „Ich weiß nicht, ob Sie schon gehört haben, dass in Russland eine Vereinheitlichung seiner Zeitzonen anstand. Denn es gibt einen Unterschied von neun Stunden zwischen der einen und der anderen Seite des Landes. Daraufhin ging der russische Premierminister zu Putin und sagte: ‚Herr Präsident, wir haben ein Problem. Ich habe meine Familie in den Urlaub geschickt. Ich rief sie an, um ihnen ‚Gute Nacht‘ zu sagen, aber dort war es morgens und sie waren am Strand. Ich habe Olaf Scholz angerufen, um ihm zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Aber er sagte, der sei erst morgen. Ich rief Xi Jinping zum neuen Jahr an, und er sagte, es sei noch das alte Jahr.‘ Putin sagte: ‚Ja, das ist mir auch passiert. Ich habe Prigoschins Familie angerufen, um ihr mein Beileid auszusprechen, aber das Flugzeug war noch nicht abgehoben.‘“

Das ist ein gemeiner Witz. Aber weil Prigoschin in diesem Fall die Chance gehabt hätte auszusteigen, weil seine Familie ihn sofort angerufen hätte, dürfen wir einmal darüber lachen.
Dass das Böse sich selbst entlarvt, darüber können wir lachen. Das Böse entlarvt sich selbst. Das ist eine große Hoffnung. Und Ihr kennt alle Edi Rama? Edi Rama ist der Ministerpräsident von Albanien, ein Land, das sich anschickt in die EU zu kommen. Edi Rama ist Sportler und Künstler und kommt aus der Demokratiebewegung in einem Land, das mit Korruption und Kriminalität zu kämpfen hat. Er gibt sein Bestes. Er macht dabei sicher auch Fehler, man kann ihn kritisieren – aber er sagt auf jeden Fall coole Sachen.
Es gibt den Sicherheitsrat der UN. Und ob Ihr es glaubt oder nicht, hat Edi Rama im letzten Jahr bis zum Jahreswechsel im UN-Sicherheitsrat den Vorsitz innegehabt. Das habt Ihr alle sicher mitbekommen. Da durfte bei einer Sitzung als erster der ukrainische Präsident Selenskyj sprechen. Im Vorfeld beschwert sich der russische Botschafter: das verstosse gegen die Regularien, warum darf der hier überhaupt reden, er hat kein Mandat und ist nicht gewählt… Dazu sagt Edi Rama: Es ist ganz einfach – hören Sie mit dem Krieg auf und der Selenskyj hält sofort den Mund.

Also so zu denken und so etwas zu sagen, das sind Quantensprünge. Den richtigen Moment nicht verpassen, das ist schwer. So schwer, dass wir auf der Ebene gar nicht weiterkommen. Wir kommen im großen Weltgeschehen nur immer weiter hinein in Ratlosigkeiten. Und ich kann gut verstehen, wenn wir uns Ostern daher von einer anderen Seite anschauen.

Quantensprung der Zeit. Die meisten feiern das Osterfest als ein Erwachen des Frühlings: In allen Gärten hängen jetzt die Ostereier, und ich sage Euch, die werden in drei Tagen wieder abgehängt, als wäre das Osterfest vorbei. Und dann geht es schon wieder um etwas anderes, anstatt Ostern zu feiern.
Dabei geht es doch jetzt erst los. Die bunten Ostereier gehören nicht in die Passionszeit, wo wir die ganze Ratlosigkeit über Konflikte im großen Weltgeschehen und in unserem eigenen Leben bedenken. Nein, jetzt kommen die Ostereier zum Einsatz, jetzt entzündet sich das Osterlicht, jetzt kommt die Freude. Und die Schöpfung macht wirklich mit: Am 15. März beginnt die Setz- und Brutzeit und am selben Tag beginnen die Vögel zu singen, als wenn sie sich auch danach richten. Es ist wirklich ein Erwachen der Schöpfung, so bezaubernd und schön, dass Du es Dir vorher gar nicht ausmalen kannst. Und da kann man sagen, in einer Welt, die so schrecklich ist, reicht das doch eigentlich – oder?
Ab und an «I think to my self, what a wonderful world.» Wenn wir das so ab und zu vor uns hin summen, ist es doch auch schon ein schöner Quantensprung. Wenn uns das reicht, gehen wir aus diesem Gottesdienst nicht nur mit einem Gloria hinaus, sondern auch mit einem leichten Seufzer. «I think to my self, what a wonderful world.»
Dies Lied ist eine – vielleicht die Hymne an die Schöpfung. Wir können es alle mitsummen und mitsingen: «What a wonderful world.». Was die meisten nicht wissen, hat mich sehr berührt: Louis Armstrong hatte nur noch ein Jahr zu leben, als er dieses Lied gesungen hat. Seinen größten Welthit, wie er um die ganze Welt wanderte, das hat er gar nicht mehr in seiner ganzen Fülle miterlebt. Erlebt hat er, dass sein Produzent die Aufnahme verbieten wollte. Er sagte, das sei nicht passend in Zeiten voller Konflikte und Proteste – 1967 der Vietnamkrieg, der Tod Kennedys, Rassismus, die Zeiten waren schlimm. Und man sagte Louis Armstrong: Du kannst jetzt nicht so rüberkommen mit:
«I see trees of green Red roses too, I see them bloom for me and you, and I think to myself: what a wonderful world…»

Das kannst Du jetzt nicht bringen. Und er hat sich das wirklich gut und lange überlegt. Kann man das nicht sagen:
«I hear babies cry, I watch them grow, they’ll learn much more, than I’ll ever know. And I think to myself, what a wonderful world.»

Ich höre Babies, wie sie weinen, ich schaue, wie sie wachsen – und in dem Moment sage ich:
Ist es nicht wunderbar? Louis Armstrong beschreibt jedes Mal einen Quantensprung.

Du kannst in einer einzigen Rose das ganze Wunder der Schöpfung sehen. Du kannst in einem Augenblick mit einem Kind das ganze Wunder des Lebens sehen. Du kannst in einer Träne, in einem Lachen, in einer Blüte, in einem Regenbogen, genau wie in einem Regentropfen, die ganze Schöpfung sehen.
Louis Armstrong war schwer herzkrank, als er das sang. Und er wurde gefragt, wie kannst Du das machen? Auf ganz alten Schallplatten ist er mit einem gesprochenen Intro zu hören. Und das kann ich nicht nachmachen – das müsst ihr Euch selbst einmal anhören: Die Stimme von Louis Armstrong, vom Leben gezeichnet, rau und weich zugleich und nahe daran zu brechen, sagt er: «Einige von euch haben zu mir gesagt: Was meinst du mit deiner wunderbaren Welt? Was denkst du über all die Kriege? Das nennst Du wunderbar?»
Er fragt er zurück: «Wie wäre es, wenn ihr mir eine Minute zuhört? Mir scheint es, die Welt ist nicht so schlecht, sondern nur, was wir ihr antun. Und alles, was ich sagen, ist: Sehen Sie, was für eine wundervolle Welt es wäre, wenn wir ihr nur eine Chance geben? Darum:
Love – Baby love!»

Stellt Euch Satchmo vor, wenn er das sagt: «Love – Baby love!»
Ich kann es nicht nachmachen, aber ich kann Euch erinnern. Liebe, Baby, liebe – denn das ist das Geheimnis der ganzen Schöpfung.
«Wenn wir mehr lieben würden, würden wir viel mehr Probleme lösen. Darum: Yeah that’s all what the old Pops says.»

«What a wonderful world» – denn der Herzschlag der Schöpfung ist Liebe. Die offenbart sich nicht erst in Christus. Wenn Du weiter und weiter hineingehst in die Schöpfung, kommst Du genau dorthin, wo Christus anfängt. Er geht in die Wüste, in das Land des Todes, um Gott, dem Schöpfer ganz nah zu sein. Er kommt wieder in einer Kraft, die schöpferisch ist.
Wir sind unterwegs auf einem Planeten, der in jeder Sekunde Auferstehung feiert. Ob Ihr es glaubt oder nicht, es geschieht einfach. Und wir können weit schauen, Astrophysiker können Millionen von Lichtjahren in das Weltall hineinschauen. Und auf Millionen von Sternen kein Leben. Unser winzig kleiner blauer Planet dreht durch einen scheinbar toten Kosmos. Ob dieser Kosmos lebendig ist, weiß Gott allein. Aber hier finden wir eine Fülle von Leben – das ist ein Wunder – absolut.
Da, wo die Schöpfung für uns scheinbar endet, wo es tot ist, da geht Jesus hinein: In die Wüste, in das Land des Todes. Und dann kommt er zurück, und es fängt an sich zu drehen. Und das hört nicht auf, so wie die Erde sich dreht und dreht, solange Gott will. Gott hält es in der Hand
Die Kraft, die die Sonne aufgehen lässt, ist dieselbe Kraft, die Christus auferstehen lässt. Und das ist dieselbe Kraft, die durch Glauben und Vertrauen auch in uns wirken möchte. Geben wir ihr eine Chance.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft behütet uns jetzt und in Ewigkeit

Amen.

 

 

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de