Pastorin Susanne Zingel, 3. Advent 2021

Predigttext Matthäus 1, 18-25:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: »Siehe, eine junge Frau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Die zwei Dreieinigkeiten

Bartolomé Esteban Murillo

1675–1682

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

es waren ein Mann und eine Frau, die waren rechtschaffen und fromm und sie wünschten sich so sehr ein Kind, aber sie bekamen keines. Und es war ein König und eine Königin, die waren glücklich miteinander, nur dass sie kein Kind hatten. So beginnen ganz viele Märchen nicht nur bei den Gebrüdern Grimm. Wir hatten in der letzten Woche die Märchenerzählerin Linde Knoch bei uns zu Gast. Sie hat uns Märchen mitgebracht von Paaren, die sich so sehr ein Kind wünschen. Da kommt der Mann nach Hause und bringt einen Igel mit, ‚Wenn wir kein Kind haben, dann soll dieses Igelchen unser Kind sein.‘ Dieser Igel vollbringt unglaubliche Dinge und entpuppt sich zuletzt als ein Königssohn. Die rechtschaffenen Eltern entdecken dabei, sie sind nicht nur die Eltern eines wunderbaren Sohns, sie sind auch ein königliches Paar. So haben wir Geschichten gehört von einem Igelkind, einem Däumeling, ja sogar von einem Olivenkern, der geboren wird. Daraus wächst ein goldener Baum wächst und aus diesem goldenen Baum entspringt eine wunderschöne Königstochter. Das sind Märchen, die alle davon handeln, wie aus einer großen Liebe neues Leben hervorgeht, sie erzählen von seelischen und geistigen Reifungsprozessen.

Märchenhaft ist auch vieles, was wir von Maria und Josef hören. Die Geburtsgeschichten von Jesus und auch von Johannes sind im Nachhinein aufgeschrieben. Sie erklären, wie so unglaubliche, wunderbare Menschen auf die Welt gekommen sind. Im Stall von Bethlehem war kein Evangelist dabei. Erst später als sie schon erwachsen waren, überlegte man, wo sind die beiden eigentlich hergekommen. Da waren ein Mann und eine Frau, Maria und Josef. Die waren einander versprochen, sie waren verlobt. Sie stellten sich beide vor, wie es wohl wird, wenn sie heiraten, ein Fest feiern, eine Familie gründen.

Matthäus erzählt die Geschichte anders als Lukas. Er erzählt eine königliche Geschichte, die märchenhafte Seite. Da waren zwei Verlobte und bevor sie noch Hochzeit feierten, merkte der Bräutigam, die Braut ist schwanger. So wurde es ihm zugetragen. Josef war fromm und gerecht. Er fragte sich, was soll ich machen? ‚Ich werde sie still und leise verlassen. So gerät sie nicht in Schande.‘ Das ist eine falsche Logik. Denn genau dadurch würde sie ja in Schande geraten, wenn sie als junge, unverheiratete Frau schwanger auf der Straße steht. Ins Unglück hätte Josef sie gestürzt. Nur damit er selbst nicht in Spott und Schanden dasteht. Diese Geschichte soll eigentlich in der Weihnachtsnacht in der Christmette vorgelesen werden. Aber da sind wir schon viel weiter, unter dem Tannenbaum steht da schon die Krippe, alle sind ergriffen und gerührt. Es ist gut, schon früher im Advent von einer anderen Nacht zu erzählen, in der Josef sich entscheidet, sich auf Maria und das Kind einzulassen. Es ist gut, an dieser Stelle zu verweilen. Da sind zwei, die wollen heiraten und möchten sich etwas Eigenes aufbauen. Etwas Eigenes, eine Familie, Kinder, ein bescheidener oder auch größerer Wohlstand. Es sind Hoffnungen und Erwartungen und plötzlich ist es nicht mehr das Eigene. Und wenn es rauskommt, werden dich alle verspotten. Warum eigentlich? Du wirst dastehen wie ein Depp. Der Engel begegnet ihm Matthäusevangelium dem Josef mit der gleichen Intensität, wie der Engel Maria im Lukasevangelium begegnet. Beide müssen einen eigenen Weg gehen. Der Engel begegnet Josef im Traum und sagt: Fürchte dich nicht, du Sohn Davids. Du Sohn Davids. Nichts hatte daraufhin gedeutet, dass Josef ein Königskind ist. Bei Matthäus ist er ein Zimmermann in Bethlehem. Fürchte dich nicht, du Sohn Davids. Im Traum wird Josef angesprochen als ein Königssohn, der berufen ist, sich hineinzutrauen in eine Geschichte, die größer ist als alles, was er sich vorgestellt hat. Du bist berufen und begabt, dem Kind des Höchsten auf die Welt zu helfen. Kein Weichei, kein gehörnter Ehemann, kein Schwächling, sondern der Vater eines Königskindes. Josef entscheidet sich für Maria und für das Kind. Er entscheidet sich für sich selbst, denn er trägt den Namen des Stammvaters, ihr erinnert Euch doch an Josef und seine Brüder. Josef der Träumer, vor dem sich alle verneigen sollten und den seine Brüder in die Sklaverei verkauften. Aber dadurch werden sie alle gerettet. Der Name Josef bedeutet: Gott wird hinzufügen, er wird dich reichmachen, dich segnen und deine Hände füllen. So sitzt Josef zuletzt auf dem Thron neben dem Pharao und vorn bei uns im Altar sitzt Jesus im Kreis seiner Jünger, so wie Josef und seine Brüder. Und das wurde möglich, weil Josef sich für dies Kind entschieden hat. Er setzt sich darüber hinweg, dass wir dafür da sind, etwas Eigenes zur Welt zu bringen, auf die Beine zu stellen. Dass wir danach bewertet werden, ob das Eigene etwas hermacht. Dagegen steht die Aufgabe, die Josef annimmt, Gottes Geschenk anzunehmen, sich beschenken zu lassen und das Leben zu behüten und zu beschützten. Josef rettet Maria und das Kind vor Herodes durch die Flucht nach Ägypten, ist mit ihm und Maria nach Ägypten geflüchtet.  Da gehen sie Vater, Mutter und Kind. Für diese Zeit in Ägypten hat Bartolomé Murillo das Bild gemalt: Die doppelten Dreieinigkeiten. Es ist ein seltenes Bild, wo wir einen schönen Josef sehen. Sonst rührt Josef immer verschämt in einer Ecke im Schatten in einer Suppe, während Maria mit dem Kind allein tausendfach gemalt in eine Einsamkeit entschwindet. Hier dagegen sieht es so aus, als hätte ein Fotograf gesagt, stellt Euch einmal so hin: Das Kind in die Mitte und dann fasst ihr jeder es an die Hand. Jesus, Maria und Josef sind hier eine Dreieinigkeit, jeder mit einer eigenen Rolle. Diesem Kind auf die Welt zu helfen, heißt eine ganze Welt zu retten. Von oben fällt das Licht auf alle drei, ganz besonders auf Jesus, der Heilige Geist schwebt als Taube auf ihn herab- Gottes Blick ruht auf Maria, seine segnende Hand liegt auf einer Linie mit Josef. In diesem Miteinander liegen eine Harmonie und ein bewegter Dreiklang, der so viel schöner ist als die sonst so erhabene Einsamkeit der Madonna und die verschämte Geschäftigkeit von Josef. Hier geht es in der Herkunftsgeschichte um etwas viel Größeres, und das ist nicht ausgedacht, sondern geschaut, geträumt, lichtdurchflutet offenbart. Wer das Himmelreich nicht aufnimmt wie ein Kind, der kommt nicht hinein. Wo immer wir aber das Leben behüten, annehmen und liebevoll sich entfalten lassen, folgen wir unsere Berufung. Josef: Gott fügt hinzu, Fülle um Fülle und einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft und uns bewahrt mit allem, was wir sind in Christus Jesus unserm Herrn. Amen

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de

Pastorin Susanne Zingel, 3. Advent 2021

Predigttext Matthäus 1, 18-25:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: »Siehe, eine junge Frau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Die zwei Dreieinigkeiten

Bartolomé Esteban Murillo

1675–1682

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

es waren ein Mann und eine Frau, die waren rechtschaffen und fromm und sie wünschten sich so sehr ein Kind, aber sie bekamen keines. Und es war ein König und eine Königin, die waren glücklich miteinander, nur dass sie kein Kind hatten. So beginnen ganz viele Märchen nicht nur bei den Gebrüdern Grimm. Wir hatten in der letzten Woche die Märchenerzählerin Linde Knoch bei uns zu Gast. Sie hat uns Märchen mitgebracht von Paaren, die sich so sehr ein Kind wünschen. Da kommt der Mann nach Hause und bringt einen Igel mit, ‚Wenn wir kein Kind haben, dann soll dieses Igelchen unser Kind sein.‘ Dieser Igel vollbringt unglaubliche Dinge und entpuppt sich zuletzt als ein Königssohn. Die rechtschaffenen Eltern entdecken dabei, sie sind nicht nur die Eltern eines wunderbaren Sohns, sie sind auch ein königliches Paar. So haben wir Geschichten gehört von einem Igelkind, einem Däumeling, ja sogar von einem Olivenkern, der geboren wird. Daraus wächst ein goldener Baum wächst und aus diesem goldenen Baum entspringt eine wunderschöne Königstochter. Das sind Märchen, die alle davon handeln, wie aus einer großen Liebe neues Leben hervorgeht, sie erzählen von seelischen und geistigen Reifungsprozessen.

Märchenhaft ist auch vieles, was wir von Maria und Josef hören. Die Geburtsgeschichten von Jesus und auch von Johannes sind im Nachhinein aufgeschrieben. Sie erklären, wie so unglaubliche, wunderbare Menschen auf die Welt gekommen sind. Im Stall von Bethlehem war kein Evangelist dabei. Erst später als sie schon erwachsen waren, überlegte man, wo sind die beiden eigentlich hergekommen. Da waren ein Mann und eine Frau, Maria und Josef. Die waren einander versprochen, sie waren verlobt. Sie stellten sich beide vor, wie es wohl wird, wenn sie heiraten, ein Fest feiern, eine Familie gründen.

Matthäus erzählt die Geschichte anders als Lukas. Er erzählt eine königliche Geschichte, die märchenhafte Seite. Da waren zwei Verlobte und bevor sie noch Hochzeit feierten, merkte der Bräutigam, die Braut ist schwanger. So wurde es ihm zugetragen. Josef war fromm und gerecht. Er fragte sich, was soll ich machen? ‚Ich werde sie still und leise verlassen. So gerät sie nicht in Schande.‘ Das ist eine falsche Logik. Denn genau dadurch würde sie ja in Schande geraten, wenn sie als junge, unverheiratete Frau schwanger auf der Straße steht. Ins Unglück hätte Josef sie gestürzt. Nur damit er selbst nicht in Spott und Schanden dasteht. Diese Geschichte soll eigentlich in der Weihnachtsnacht in der Christmette vorgelesen werden. Aber da sind wir schon viel weiter, unter dem Tannenbaum steht da schon die Krippe, alle sind ergriffen und gerührt. Es ist gut, schon früher im Advent von einer anderen Nacht zu erzählen, in der Josef sich entscheidet, sich auf Maria und das Kind einzulassen. Es ist gut, an dieser Stelle zu verweilen. Da sind zwei, die wollen heiraten und möchten sich etwas Eigenes aufbauen. Etwas Eigenes, eine Familie, Kinder, ein bescheidener oder auch größerer Wohlstand. Es sind Hoffnungen und Erwartungen und plötzlich ist es nicht mehr das Eigene. Und wenn es rauskommt, werden dich alle verspotten. Warum eigentlich? Du wirst dastehen wie ein Depp. Der Engel begegnet ihm Matthäusevangelium dem Josef mit der gleichen Intensität, wie der Engel Maria im Lukasevangelium begegnet. Beide müssen einen eigenen Weg gehen. Der Engel begegnet Josef im Traum und sagt: Fürchte dich nicht, du Sohn Davids. Du Sohn Davids. Nichts hatte daraufhin gedeutet, dass Josef ein Königskind ist. Bei Matthäus ist er ein Zimmermann in Bethlehem. Fürchte dich nicht, du Sohn Davids. Im Traum wird Josef angesprochen als ein Königssohn, der berufen ist, sich hineinzutrauen in eine Geschichte, die größer ist als alles, was er sich vorgestellt hat. Du bist berufen und begabt, dem Kind des Höchsten auf die Welt zu helfen. Kein Weichei, kein gehörnter Ehemann, kein Schwächling, sondern der Vater eines Königskindes. Josef entscheidet sich für Maria und für das Kind. Er entscheidet sich für sich selbst, denn er trägt den Namen des Stammvaters, ihr erinnert Euch doch an Josef und seine Brüder. Josef der Träumer, vor dem sich alle verneigen sollten und den seine Brüder in die Sklaverei verkauften. Aber dadurch werden sie alle gerettet. Der Name Josef bedeutet: Gott wird hinzufügen, er wird dich reichmachen, dich segnen und deine Hände füllen. So sitzt Josef zuletzt auf dem Thron neben dem Pharao und vorn bei uns im Altar sitzt Jesus im Kreis seiner Jünger, so wie Josef und seine Brüder. Und das wurde möglich, weil Josef sich für dies Kind entschieden hat. Er setzt sich darüber hinweg, dass wir dafür da sind, etwas Eigenes zur Welt zu bringen, auf die Beine zu stellen. Dass wir danach bewertet werden, ob das Eigene etwas hermacht. Dagegen steht die Aufgabe, die Josef annimmt, Gottes Geschenk anzunehmen, sich beschenken zu lassen und das Leben zu behüten und zu beschützten. Josef rettet Maria und das Kind vor Herodes durch die Flucht nach Ägypten, ist mit ihm und Maria nach Ägypten geflüchtet.  Da gehen sie Vater, Mutter und Kind. Für diese Zeit in Ägypten hat Bartolomé Murillo das Bild gemalt: Die doppelten Dreieinigkeiten. Es ist ein seltenes Bild, wo wir einen schönen Josef sehen. Sonst rührt Josef immer verschämt in einer Ecke im Schatten in einer Suppe, während Maria mit dem Kind allein tausendfach gemalt in eine Einsamkeit entschwindet. Hier dagegen sieht es so aus, als hätte ein Fotograf gesagt, stellt Euch einmal so hin: Das Kind in die Mitte und dann fasst ihr jeder es an die Hand. Jesus, Maria und Josef sind hier eine Dreieinigkeit, jeder mit einer eigenen Rolle. Diesem Kind auf die Welt zu helfen, heißt eine ganze Welt zu retten. Von oben fällt das Licht auf alle drei, ganz besonders auf Jesus, der Heilige Geist schwebt als Taube auf ihn herab- Gottes Blick ruht auf Maria, seine segnende Hand liegt auf einer Linie mit Josef. In diesem Miteinander liegen eine Harmonie und ein bewegter Dreiklang, der so viel schöner ist als die sonst so erhabene Einsamkeit der Madonna und die verschämte Geschäftigkeit von Josef. Hier geht es in der Herkunftsgeschichte um etwas viel Größeres, und das ist nicht ausgedacht, sondern geschaut, geträumt, lichtdurchflutet offenbart. Wer das Himmelreich nicht aufnimmt wie ein Kind, der kommt nicht hinein. Wo immer wir aber das Leben behüten, annehmen und liebevoll sich entfalten lassen, folgen wir unsere Berufung. Josef: Gott fügt hinzu, Fülle um Fülle und einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft und uns bewahrt mit allem, was wir sind in Christus Jesus unserm Herrn. Amen

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de