ST. SEVERIN

Pastorin Susanne Zingel, 2. Advent 2021

Predigttext Lukas 1, 39- 45

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda

und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

als im Jahr 1024 Otto der III. König wurde, da war er genau drei Jahre alt. Über Jahrzehnte regierten für ihn seine Großmutter Kaiserin Adelheid und sein Mutter Kaiserin Theophanu. Das ging so weiter. Als Heinrich der IV König war, regierte seine Mutter Agnes für ihren kleinen Königssohn. Es mag eine Legende sein, aber im Hochmittelalter trafen sich diese Kaiserinnen und Königsmütter zu einem Herrscherinnentreffen. Bei Wikipedia gibt es nur Herrschertreffen, da versammelten sich dann Kaiser, Könige und Fürsten, um in friedlichen Zeiten den Frieden zu bestärken, Bündnisse und Handelsverträge zu schließen und Hochzeiten zu planen. Einmal soll das ein Herrscherinnentreffen gewesen sein. Kaiserinnen und Königinnen kamen mit ihren kleinen Königskindern. Die Tragik war, dass die Väter, Onkel und Brüder sich in sinnlosen Kriegen getötet hatten. Es wird überliefert, dass es in dieser Zeit der Herrscherinnen etwas friedlicher zuging. Obwohl auch Kaiserinnen zu Gewalttaten fähig waren, soll es friedlicher gewesen sein, als die Mütter für ihre Söhne regierten und der kleine Otto mit dem Heinrich spielte.

Diese Geschichte ist ein schöner Hintergrund hier in unserer Kirche, die genauso alt ist, wie diese vergangenen Zeiten. Sie nimmt etwas auf von unserem Evangelium: Elisabeth und Maria treffen sich. Die zwei Königinnenmütter, Königskinder, Gotteskinder werden sie zur Welt bringen. Als Johannes Jesus tauft, ging der Himmel auf und eine Stimme sprach: ‚das ist mein geliebter Sohn, ein Gotteskind, ein Königskind.‘ Heute hören wir, wie beide Mütter das voller Vorfreude miteinander feiern. Maria geht durch den Dornenwald. Sie hat von dem Engel gehört: ‚Deine Verwandte Elisabeth ist auch schwanger.‘ und keiner hatte das geglaubt. Die ist so alt. Elisabeth und ihr Mann, das alte Ehepaar hatten sich damit abgefunden: ‘Wir haben keine Kinder.‘ Kennen Sie die Geschichte? Zacharias war ein Priester und er ging hinein in das Allerheiligste im Tempel. Das Sühnopfer für das ganze Volk sollte er darbringen. Da begegnet ihm im Allerheiligsten der Engel Gottes. Und sagt: „Zacharias, ihr werdet ein Kind bekommen, du wirst Vater werden. Deine Frau Elisabeth, so alt sie sein mag, sie wird ein Kind bekommen. Und das wird ein Sohn des Höchsten sein. Zacharias denkt, ‚das kann nicht sein, das glaube ich nicht.‘ Und im gleichen Moment war er stumm. Das wäre so, als könnte ich jetzt nicht weitersprechen, und dann würde die Orgel einsetzen oder wer von Euch würde hier nach vorne kommen und weiterpredigen? Niemand? Es wurde still, denn Zacharias, der Priester, der theologisch Gebildete wurde stumm. Aber Maria, die spricht.  Das habt Ihr vorhin alle gemacht. Ihr habt gepredigt: Meine Seele erhebt den Herrn, mein Geist freut sich in Gott, er ist mein Heiland. Er hat Großes an uns getan. Die Mächtigen stürzt er vom Thron und erhebt die Niedrigen empor. Der Priester wird stumm und das junge Mädchen Maria fängt an zu predigen. Weil das Wort Gottes und die Freude über seine Verheißungen, seine Güte und seine Treue sind nicht abhängig davon, dass studierte Theologen und gebildete Priester das dem Volk erklären. Nein! Ein Volk von Gotteskindern, zu dem spricht Maria. Und so wie über den kleinen Königskindern der Schatten der toten Väter liegt, so liegt auch über dieser Geschichte eine Verschattung: ‚Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria.‘ Das haben wir auch gerade gesagt. Und Greta, du bist hier als Konfirmandin und in der letzten Stunde, hast du diesen Satz im Glaubensbekenntnis unterstrichen: „Besonders schwierig.“ Besonders schwierig, denn es wird viel zu wenig erzählt, in der Bibel stand da am Anfang einfach: ‚eine junge Frau‘. Alma (hebr.:) – eine junge Frau. Sie war eigentlich zu jung, um schon Kinder zu bekommen, so jung war sie. Und sie war unverheiratet, aber die lobte Gott und sie predigte besser als ein Priester. Das steht nicht im Glaubensbekenntnis. Das sollte aber mitschwingen, wenn wir hören: ‚Jesus Christus geboren von einer Jungfrau.‘ Sie war so jung, dass niemand dachte, da müssen wir hinhören oder hinschauen. Unbeachtet spricht sie zu sich, zu den Menschen aus dem Herzen Gottes. Das wird viel zu wenig erzählt. Es wurde völlig abstrakt, theoretisch, gynäkologisch verunstaltet. Dabei geht es darum, dass die Armen das Evangelium verkünden. Die Stummen öffnen ihren Mund und predigen. Und so treffen sich zwei Frauen über zwei Geburten. Elisabeth steht für die Frauen, die gelitten haben und gedemütigt wurden, weil sie zu früh schwanger, zu viele Kinder, keine Kinder, falsche Kinder – alle Demütigungen und Verletzungen, die Frauen nur erleiden können, trägt diese Elisabeth in sich. Ihr Name bedeutet, ‚Gott schwört Treue‘ oder ‚mein Gott ist siebenfach‘. Das Unglück, kein Kind zu bekommen, was damals eine Schande war, das trägt sie vielfältig in sich. Aber jetzt ist alles vorbei. Es wird erzählt, genau sechs Monate vor Maria wurde Elisabeth schwanger. Wussten Sie eigentlich, dass Jesus und Johannes Cousins sind? Nein? Das wird auch viel zu wenig erzählt. Jesus lässt sich von Johannes taufen. Die Geschichte ist bekannt. Johannes taucht Jesus im Jordan unter. Das war sein Cousin. Über diese beiden Kinder reden wir heute. Eine Mutter ganz alt, Elisabeth, und die Maria, viel zu jung, bekommt ihr Kind.

Sie haben gerade gesungen: „Maria durch ein Dornenwald ging. Kyrieeleison. Maria durch ein Dornenwald ging, da haben die Dornen Rosen getragen. Was trug Maria unter ihrem Herzen? Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen “ Dieses Lied ist uns gut vertraut, denn es ist ein Volkslied. Es steht nicht im Gesangbuch. Und trotzdem kennen wir es. Es ist ein Wallfahrtslied aus Paderborn. Es wurde gedichtet vor 200 Jahren und wurde so bekannt, weil Frauen und Mädchen es ganz viel gesungen haben. Es ist ungefähr zur gleichen Zeit entstanden, wie Goethes Faust. Das Gretchen – der Bruder ist tot, das Kind wird sterben, Gretchen ist in Schande gestürzt, sie wird sterben, was für eine dramatische Geschichte um eine Schwangerschaft – Schande – Gefängnis – Urteil und Tod. Und Goethe schreibt dies nicht, weil es niemals vorkam, sondern weil es viel zu oft vorkam, verdichtet er es. Darum gehen Mädchen und Frauen von Haus zu Haus und singen das Lied vom Dornenwald unter den Fenstern.

Bei Maria und dem Dornenwald gibt es im Hintergrund noch eine Geschichte, wo die Schande, die Elisabeth ihr Leben lang mit sich trägt, auch Maria trifft. Im Protevangelium des Jakobus ist nachzulesen, als bekannt wurde, dass Maria schwanger ist, war da ein großes Entsetzen. Maria war im Tempel aufgewachsen. Ihre Eltern hatten sie dankbar dem Herrn geweiht, so dass sie im Tempel sang, tanzte und spielte und alle sich über sie freuten – bis sie ihre erste Regel bekam und nicht weiter im heiligen Tempel bleiben durfte. Sie wurde in die Obhut von Josef übergeben, der war alt und ehrenhaft und sollte sie behüten. Da wurde bekannt: Maria ist schwanger. Der Tempel erbebte. Alle, die sich über Maria so gefreut hatten, konnten es nicht fassen. Und darum mussten beide vergiftetes Bitterwasser trinken. Das steht in der Bibel, dass man das so machen soll. Die Rezeptur dieses Bitterwassers ist nicht überliefert. Nachdem Josef das Bitterwasser getrunken hatte, wurde er ins Gebirge geschickt. Und er kam zurück. Gut, er hat nicht gelogen. Er ist auf jeden Fall nicht der Vater. Dann musste Maria in den Tempel und musste das Bitterwasser trinken. Und alle hatten sie von Herzen gern und fürchteten um ihr Leben. Maria ging ins Gebirge – und da kam sie wieder, war gesund und munter und sie sang weiter: ‚Meine Seele erhebt den Herrn und freut sich.‘  Da wussten alle, sie hat nicht gelogen und der ganze Tempel freute sich. Diese Legende hat etwas Märchenhaftes. Es ist eine Legende, zu erklären, wie sind diese wunderbaren Heilsbringer Jesus und Johannes eigentlich auf die Welt gekommen? Auf wunderbare Weise. Nicht aufgrund von menschlichen Plänen, nicht mir Erwartungen an Stammhalter, Thronfolger. Sie fielen einfach vom Himmel. Und ihre Mütter begrüßten sie als ein Himmelsgeschenk. Wir haben es vorhin bei dem Propheten Jesaja gehört: ‚Und du sollst mit einem neuen Namen genannt werden, welchen Gott dir geben wird. Du wirst sein eine schöne Krone, ein königlicher Reif. Man wird nicht mehr sagen, Du Verlassene, Unfruchtbare, Einsame.“ Man wird sagen: ‘meine liebe Frau, meine Lust, meine Freude.‘ Aus Maria wird eine Frau werden, die viele Namen bekommen wird. Maria heißt eigentlich die Bittere, das Bitterwasser, bittere Frauenerfahrungen, Leid und Dornen, die sich aber in Rosen verwandeln. Bitterwasser heißt auch ein Tropfen Salzwasser, eine Träne. Und daraus ist Maria Stella Maris geworden. Der Stern über dem Meer- Maria heißt auch die Gottgeliebte, und dann geht es los: Die Himmelskönigin, die Rose, die Lilie, viele Namen, so wie eine Mutter immer neue Kosenamen für ihr Kind findet. Und Elisabeth heißt: Vielfältig ist mein Gott. Er schwört mir Treue. Gott ist mein zu Hause. Diese Frauen bekommen Kinder, die heißen Jesus: Gott hilft und Johannes. Sein Vater war stumm, aber der Vater muss dem Kind den Namen geben. Was soll man da machen? Elisabeth sagt, er soll Johannes heißen. Alle Verwandten sagen, aber so einen Namen gibt es in eurer ganzen Familie nicht. Also gehen sie zu Zacharias, dem Vater und fragen: „Wie soll dein Kind heißen? Und Johannes nahm eine Schiefertafel und schrieb darauf: ‚Er heißt Johannes‘ genauso wie Elisabeth es sagt und das heißt: ‘Er ist ein Gnadengeschenk‘. und im gleichen Augenblick konnte Zacharias wieder sprechen. Du bist mit einem königlichen Namen genannt. Diese Kinder sind geboren, uns zu erzählen, dass wir alle Gottes Kinder sind. Himmelsnah, Gottverwandt, aus Gott geboren und dafür bestimmt, uns gegenseitig an diesen wunderbaren Ursprung zu erinnern. Amen

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de

Pastorin Susanne Zingel, 2. Advent 2021

Predigttext Lukas 1, 39- 45

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda

und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

als im Jahr 1024 Otto der III. König wurde, da war er genau drei Jahre alt. Über Jahrzehnte regierten für ihn seine Großmutter Kaiserin Adelheid und sein Mutter Kaiserin Theophanu. Das ging so weiter. Als Heinrich der IV König war, regierte seine Mutter Agnes für ihren kleinen Königssohn. Es mag eine Legende sein, aber im Hochmittelalter trafen sich diese Kaiserinnen und Königsmütter zu einem Herrscherinnentreffen. Bei Wikipedia gibt es nur Herrschertreffen, da versammelten sich dann Kaiser, Könige und Fürsten, um in friedlichen Zeiten den Frieden zu bestärken, Bündnisse und Handelsverträge zu schließen und Hochzeiten zu planen. Einmal soll das ein Herrscherinnentreffen gewesen sein. Kaiserinnen und Königinnen kamen mit ihren kleinen Königskindern. Die Tragik war, dass die Väter, Onkel und Brüder sich in sinnlosen Kriegen getötet hatten. Es wird überliefert, dass es in dieser Zeit der Herrscherinnen etwas friedlicher zuging. Obwohl auch Kaiserinnen zu Gewalttaten fähig waren, soll es friedlicher gewesen sein, als die Mütter für ihre Söhne regierten und der kleine Otto mit dem Heinrich spielte.

Diese Geschichte ist ein schöner Hintergrund hier in unserer Kirche, die genauso alt ist, wie diese vergangenen Zeiten. Sie nimmt etwas auf von unserem Evangelium: Elisabeth und Maria treffen sich. Die zwei Königinnenmütter, Königskinder, Gotteskinder werden sie zur Welt bringen. Als Johannes Jesus tauft, ging der Himmel auf und eine Stimme sprach: ‚das ist mein geliebter Sohn, ein Gotteskind, ein Königskind.‘ Heute hören wir, wie beide Mütter das voller Vorfreude miteinander feiern. Maria geht durch den Dornenwald. Sie hat von dem Engel gehört: ‚Deine Verwandte Elisabeth ist auch schwanger.‘ und keiner hatte das geglaubt. Die ist so alt. Elisabeth und ihr Mann, das alte Ehepaar hatten sich damit abgefunden: ‘Wir haben keine Kinder.‘ Kennen Sie die Geschichte? Zacharias war ein Priester und er ging hinein in das Allerheiligste im Tempel. Das Sühnopfer für das ganze Volk sollte er darbringen. Da begegnet ihm im Allerheiligsten der Engel Gottes. Und sagt: „Zacharias, ihr werdet ein Kind bekommen, du wirst Vater werden. Deine Frau Elisabeth, so alt sie sein mag, sie wird ein Kind bekommen. Und das wird ein Sohn des Höchsten sein. Zacharias denkt, ‚das kann nicht sein, das glaube ich nicht.‘ Und im gleichen Moment war er stumm. Das wäre so, als könnte ich jetzt nicht weitersprechen, und dann würde die Orgel einsetzen oder wer von Euch würde hier nach vorne kommen und weiterpredigen? Niemand? Es wurde still, denn Zacharias, der Priester, der theologisch Gebildete wurde stumm. Aber Maria, die spricht.  Das habt Ihr vorhin alle gemacht. Ihr habt gepredigt: Meine Seele erhebt den Herrn, mein Geist freut sich in Gott, er ist mein Heiland. Er hat Großes an uns getan. Die Mächtigen stürzt er vom Thron und erhebt die Niedrigen empor. Der Priester wird stumm und das junge Mädchen Maria fängt an zu predigen. Weil das Wort Gottes und die Freude über seine Verheißungen, seine Güte und seine Treue sind nicht abhängig davon, dass studierte Theologen und gebildete Priester das dem Volk erklären. Nein! Ein Volk von Gotteskindern, zu dem spricht Maria. Und so wie über den kleinen Königskindern der Schatten der toten Väter liegt, so liegt auch über dieser Geschichte eine Verschattung: ‚Ich glaube an Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria.‘ Das haben wir auch gerade gesagt. Und Greta, du bist hier als Konfirmandin und in der letzten Stunde, hast du diesen Satz im Glaubensbekenntnis unterstrichen: „Besonders schwierig.“ Besonders schwierig, denn es wird viel zu wenig erzählt, in der Bibel stand da am Anfang einfach: ‚eine junge Frau‘. Alma (hebr.:) – eine junge Frau. Sie war eigentlich zu jung, um schon Kinder zu bekommen, so jung war sie. Und sie war unverheiratet, aber die lobte Gott und sie predigte besser als ein Priester. Das steht nicht im Glaubensbekenntnis. Das sollte aber mitschwingen, wenn wir hören: ‚Jesus Christus geboren von einer Jungfrau.‘ Sie war so jung, dass niemand dachte, da müssen wir hinhören oder hinschauen. Unbeachtet spricht sie zu sich, zu den Menschen aus dem Herzen Gottes. Das wird viel zu wenig erzählt. Es wurde völlig abstrakt, theoretisch, gynäkologisch verunstaltet. Dabei geht es darum, dass die Armen das Evangelium verkünden. Die Stummen öffnen ihren Mund und predigen. Und so treffen sich zwei Frauen über zwei Geburten. Elisabeth steht für die Frauen, die gelitten haben und gedemütigt wurden, weil sie zu früh schwanger, zu viele Kinder, keine Kinder, falsche Kinder – alle Demütigungen und Verletzungen, die Frauen nur erleiden können, trägt diese Elisabeth in sich. Ihr Name bedeutet, ‚Gott schwört Treue‘ oder ‚mein Gott ist siebenfach‘. Das Unglück, kein Kind zu bekommen, was damals eine Schande war, das trägt sie vielfältig in sich. Aber jetzt ist alles vorbei. Es wird erzählt, genau sechs Monate vor Maria wurde Elisabeth schwanger. Wussten Sie eigentlich, dass Jesus und Johannes Cousins sind? Nein? Das wird auch viel zu wenig erzählt. Jesus lässt sich von Johannes taufen. Die Geschichte ist bekannt. Johannes taucht Jesus im Jordan unter. Das war sein Cousin. Über diese beiden Kinder reden wir heute. Eine Mutter ganz alt, Elisabeth, und die Maria, viel zu jung, bekommt ihr Kind.

Sie haben gerade gesungen: „Maria durch ein Dornenwald ging. Kyrieeleison. Maria durch ein Dornenwald ging, da haben die Dornen Rosen getragen. Was trug Maria unter ihrem Herzen? Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen “ Dieses Lied ist uns gut vertraut, denn es ist ein Volkslied. Es steht nicht im Gesangbuch. Und trotzdem kennen wir es. Es ist ein Wallfahrtslied aus Paderborn. Es wurde gedichtet vor 200 Jahren und wurde so bekannt, weil Frauen und Mädchen es ganz viel gesungen haben. Es ist ungefähr zur gleichen Zeit entstanden, wie Goethes Faust. Das Gretchen – der Bruder ist tot, das Kind wird sterben, Gretchen ist in Schande gestürzt, sie wird sterben, was für eine dramatische Geschichte um eine Schwangerschaft – Schande – Gefängnis – Urteil und Tod. Und Goethe schreibt dies nicht, weil es niemals vorkam, sondern weil es viel zu oft vorkam, verdichtet er es. Darum gehen Mädchen und Frauen von Haus zu Haus und singen das Lied vom Dornenwald unter den Fenstern.

Bei Maria und dem Dornenwald gibt es im Hintergrund noch eine Geschichte, wo die Schande, die Elisabeth ihr Leben lang mit sich trägt, auch Maria trifft. Im Protevangelium des Jakobus ist nachzulesen, als bekannt wurde, dass Maria schwanger ist, war da ein großes Entsetzen. Maria war im Tempel aufgewachsen. Ihre Eltern hatten sie dankbar dem Herrn geweiht, so dass sie im Tempel sang, tanzte und spielte und alle sich über sie freuten – bis sie ihre erste Regel bekam und nicht weiter im heiligen Tempel bleiben durfte. Sie wurde in die Obhut von Josef übergeben, der war alt und ehrenhaft und sollte sie behüten. Da wurde bekannt: Maria ist schwanger. Der Tempel erbebte. Alle, die sich über Maria so gefreut hatten, konnten es nicht fassen. Und darum mussten beide vergiftetes Bitterwasser trinken. Das steht in der Bibel, dass man das so machen soll. Die Rezeptur dieses Bitterwassers ist nicht überliefert. Nachdem Josef das Bitterwasser getrunken hatte, wurde er ins Gebirge geschickt. Und er kam zurück. Gut, er hat nicht gelogen. Er ist auf jeden Fall nicht der Vater. Dann musste Maria in den Tempel und musste das Bitterwasser trinken. Und alle hatten sie von Herzen gern und fürchteten um ihr Leben. Maria ging ins Gebirge – und da kam sie wieder, war gesund und munter und sie sang weiter: ‚Meine Seele erhebt den Herrn und freut sich.‘  Da wussten alle, sie hat nicht gelogen und der ganze Tempel freute sich. Diese Legende hat etwas Märchenhaftes. Es ist eine Legende, zu erklären, wie sind diese wunderbaren Heilsbringer Jesus und Johannes eigentlich auf die Welt gekommen? Auf wunderbare Weise. Nicht aufgrund von menschlichen Plänen, nicht mir Erwartungen an Stammhalter, Thronfolger. Sie fielen einfach vom Himmel. Und ihre Mütter begrüßten sie als ein Himmelsgeschenk. Wir haben es vorhin bei dem Propheten Jesaja gehört: ‚Und du sollst mit einem neuen Namen genannt werden, welchen Gott dir geben wird. Du wirst sein eine schöne Krone, ein königlicher Reif. Man wird nicht mehr sagen, Du Verlassene, Unfruchtbare, Einsame.“ Man wird sagen: ‘meine liebe Frau, meine Lust, meine Freude.‘ Aus Maria wird eine Frau werden, die viele Namen bekommen wird. Maria heißt eigentlich die Bittere, das Bitterwasser, bittere Frauenerfahrungen, Leid und Dornen, die sich aber in Rosen verwandeln. Bitterwasser heißt auch ein Tropfen Salzwasser, eine Träne. Und daraus ist Maria Stella Maris geworden. Der Stern über dem Meer- Maria heißt auch die Gottgeliebte, und dann geht es los: Die Himmelskönigin, die Rose, die Lilie, viele Namen, so wie eine Mutter immer neue Kosenamen für ihr Kind findet. Und Elisabeth heißt: Vielfältig ist mein Gott. Er schwört mir Treue. Gott ist mein zu Hause. Diese Frauen bekommen Kinder, die heißen Jesus: Gott hilft und Johannes. Sein Vater war stumm, aber der Vater muss dem Kind den Namen geben. Was soll man da machen? Elisabeth sagt, er soll Johannes heißen. Alle Verwandten sagen, aber so einen Namen gibt es in eurer ganzen Familie nicht. Also gehen sie zu Zacharias, dem Vater und fragen: „Wie soll dein Kind heißen? Und Johannes nahm eine Schiefertafel und schrieb darauf: ‚Er heißt Johannes‘ genauso wie Elisabeth es sagt und das heißt: ‘Er ist ein Gnadengeschenk‘. und im gleichen Augenblick konnte Zacharias wieder sprechen. Du bist mit einem königlichen Namen genannt. Diese Kinder sind geboren, uns zu erzählen, dass wir alle Gottes Kinder sind. Himmelsnah, Gottverwandt, aus Gott geboren und dafür bestimmt, uns gegenseitig an diesen wunderbaren Ursprung zu erinnern. Amen

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de