Der Friedhof von St. Severin als maritimer Gedenkort
Wer über den Keitumer Friedhof geht, dem erschließen sich Geschichten, die weit zurückgehen. Wer aus dem Dorf und von der Insel kommt, für den ist das alles mit der eigenen Familien- und Lebensgeschichte verbunden. Vorfahren, Weggefährten, Bekannte, Nachbarn, engste Angehörige, liebste Menschen liegen hier begraben. Es gibt viele Gräber, an denen einer stehen bleibt und sich erinnert.
Den Friedhof von St. Severin gibt es länger als historische Aufzeichnungen. Die Forscher vermuten, dass hier schon in vorchristlicher Zeit Bestattungen stattfanden. Als die Kirche im 12. Jahrhundert erbaut wurde, gab es das Wattenmeer noch nicht in seiner jetzigen Form. Von der kleinen Anhöhe aus konnte man andere Kirchen auch umgeben von Friedhöfen sehen, die später bei der Grooten Mandränke und anderen Sturmfluten im Meer versanken. Die Kirche und der Friedhof von St. Severin selbst sind dabei immer verschont geblieben. Sie sind beide damit ein Zeugnis von Vergänglichkeit und Veränderung am und durch das Meer. Der historische Friedhof war kaum begrünt und wurde fast ausschließlich von Einheimischen genutzt. Das äußere Erscheinungsbild hat sich mit den Jahren in eine grüne Oase verwandelt. Man sagt bis heute, dass die Städter die Bäume und das Grün mitgebracht haben. Mittlerweile sind Auswärtige mit ca. 70% aller Bestattungen stark vertreten. Der Keitumer Friedhof kann mit einem ausgeglichenen Haushalt bewirtschaftet werden, da der „Bestattungstourismus“ die auch auf der Insel Sylt rückläufigen Bestattungszahlen ausgleicht.
Während so viele Friedhöfe zunehmend verwaisen, finden hier immer noch viele Trauerfeiern statt. Während so viele Friedhofsverwalter nicht wissen, wie sie ihren Friedhof erhalten sollen, ist der Keitumer Friedhof gut genutzt. An vielen Orten sind die Friedhöfe öde und leer, sie spenden wenig Trost und darum möchte dort auch niemand mehr begraben sein. Einen Friedhof, der selbst tot und verlassen ist, braucht kein Mensch, dorthin geht kein Angehöriger, dort trifft man keinen anderen Menschen. Dann stimmt das Wort von Jesus: „Lasst die Toten die Toten begraben.“
Aber ein Friedhof kann auch ein Ort sein, der uns etwas von Tod und Auferstehung vermittelt. Dann ist es ein schöner Friedhof wie in Keitum. Wir Hinterbliebenen brauchen solche Orte, einen schönen Ort, wo sich der Gedanke aushalten lässt, dass wir nicht ewig leben. Auferstehung ist eine Hoffnung, dass wir selbst Teil einer großen Geschichte sind, ist ein schöner Trost.
Wegmarken
- Kirche St. Severin
- Plastik „Totengedenken“
- Grabstätte der Familie Hans Hansen Teunis (1746-1803)
- Grabstätte Dr. Gerhard Schröder (1910-1989)
- Friedhofskapelle
- Fliesenbild „Garten Eden“
- Weg der historischen Steine
- Anonymes Urnenfeld
- Holzkreuz
- Grabstätte Rudolf Augstein (1923-2002)
- Grabstätte Jens Emil Mungard
- Grabstätte Peter Suhrkamp (1891-1959)
- Brunnen „Schwellenstein“
- Skulptur „Der gute Hirte“
- Plastik „Komtur“
- Friedhofsverwaltung und Toiletten
Projekt Historische Grabsteine
Seit vielen Jahren unterstützt der Förderkreis St. Severin e.V. den Erhalt und die Restaurierung der kostbaren, historischen Grabsteine des Keitumer Friedhofs. Die Grabsteine benötigen unsere besondere Zuwendung, sonst werden sie für zukünftige Generationen für immer verloren sein – und damit ein Stück Keitumer und Sylter Geschichte.
Diese wertvollen Grabsteine erzählen die Geschichte von Keitumer und Sylter Seefahrerfamilien, wo der Mann auf See blieb und nicht in der heimatlichen Erde begraben werden konnte. Wo die Frauen am Kindbettfieber starben und sich die Familie um die anderen Kinder kümmerte. Die Frauen halfen sich untereinander, bestellten gemeinsam das Feld, waren nicht allein mit der Angst, dass der Mann vielleicht nicht von See zurückkehrte. Sie erzählen von einer Zeit, in der man auf den Nächsten achtete, weil nur so das Leben möglich war. Die Restauratorin Stephanie Silligmann und ihr Team waren im Oktober 2020 hier, um die wertvollsten Steine zu sichern. Die Inschriften der großen Grabsteine, die am nördlichen Ende des Friedhofs an den Wall gelehnt standen, sind nachgezogen und wieder lesbar gemacht worden. Lasse Nissen, ein Metallschmied aus Ockholm, hat Ständer entwickelt, damit die Steine nicht mehr direkt auf der Erde stehen müssen und dem Regenwasser ungeschützt ausgesetzt sind.