Pastorin Susanne Zingel, Christvesper, 24.12.2022

Liebe Gemeinde,

vor einigen Tagen kam Christine Suhl, vielen hier bekannt als unsere Küsterin und Kirchengemeinderätin, mit zwei großen Kartons ins Gemeindebüro: „Wollt ihr mal sehen, was ich während Corona gemacht habe?“
Und da waren sie: Viele, viele Engel – gefaltet aus Gottesdienstzetteln. Eine Perle ist der Kopf, ein kleiner Faden lässt sie fliegen. Manchmal sind die Flügel bunt, das bunte Bild vom Gottesdienstblatt, die andere Seite einfach. Viele haben auf den Flügeln einen Spruch.
Christine hat sich die Mühe gemacht und die Flügel so akkurat gefaltet, dass der Wochenspruch oder ein Psalmwort zu lesen sind. So kommt jeder Engel mit einer eigenen ganz persönlichen Botschaft daher.
Diese kleinen Engel sind zu unseren Weihnachtsbotschaftern geworden. Jedem von Euch wird einer mitgegeben, und so lassen wir in diesem Gottesdienst durch Euch ganz viele in die Welt hinausfliegen.

„Engel sind Künstler der Verwandlung.
Sie verbinden Himmel und Erde und hinterlassen auf Erden himmlisches Glück.“

Das stimmt erst einmal ganz schlicht. Ein alter Gottesdienstzettel ist nutzlos. Der Gottesdienst wurde gefeiert, jetzt ist er wertlos.
Im besten Falle kann er als Altpapier wiederverwertet werden. Doch er selbst hat keine Daseinsberechtigung. Aber siehe da, hier werden lauter kleine Kunstwerke verteilt. Und die stehen für die Botschaft der Engel zu Weihnachten: „Siehe, wir verkünden euch große Freude, die allen Menschen widerfahren soll, denn Euch ist heute der Heiland geboren in Bethlehem, der Stadt Davids.“
Die Geburt des göttlichen Kindes im Stall von Bethlehem verwandelt alles um sich herum.
Maria ist so glücklich, Josef erleichtert, die Hirten gerührt und verlegen. Sie laufen los und erzählen allen Menschen von einem Wunder in ihrem Stall. Und das ist eine Verwandlung – man erkennt die Hirten nicht wieder. Sie selbst erkennen sich nicht wieder. Sie trauen sich, sich rufen anderen etwas zu, sie lachen, sind übermütig und vor allem nicht still und leise.

Verwandlung kommt von „Hin und her wenden“ – immer wieder hin und her – das passt zu den Papierengeln, die Flügel wurden immer hin und her gefaltet. Es braucht längere Prozesse für ein Wunder.

Die Hirten waren überzeugt, dass sie keiner braucht. Maria hielt sich für nichts Besonderes, und Josef schien etwas einfältig. Und das haben sie sich immer wieder gegenseitig bestätigt, sie sich selbst untereinander und die Umwelt hat auch mitgeholfen.

Dass einer wie neu und wie verwandelt hervortritt, ist ein Wunder, eine Berührung durch den Heiligen Geist. Fertig machen wir uns selbst und gegenseitig. Das geht ganz leicht. Aber Vertrauen stiften, Hoffnung Liebe versprechen, das ist jedes Mal ein Wunder. Dies Wunder feiern wir heute Nacht, denn Gott kommt in Christus zu uns, um all das in uns zu wecken.

Du kannst es auch andersherum wenden: Wo wir Vertrauen spüren, uns hervortrauen, dem Leben etwas zutrauen, uns überraschen lassen, Hingabe zulassen, da berührt uns ein himmlischer Segen. Dann erfahren wir uns als einen Teil von etwas Größerem, und dieses Große um uns herum ist gut und voller Liebe und hilft uns tausendfältig.

Hilfe von oben brauchen wir in diesem Jahr ganz besonders. Wie viele schlimme Nachriten haben uns in diesem Jahr erreicht. Man muss aufpassen, wieviel man an einem Tag davon verträgt. Dabei sind es für die meisten von uns Nachrichten, aber wir alle wissen, dass Menschen wirklich in Not sind. Und wir wissen nicht, wie wir helfen können. Wir hier können den Krieg nicht stoppen, die Inflation aufhalten, das Klima retten. Viele Menschen resignieren darum und sagen: „Man kann nichts machen, es ist egal, was du tust.“
Das ist nah an der Denke der kleinen Leute, die sich alle im Stall von Bethlehem treffen und die hören und spüren: „Du bist unendlich wichtig, es kommt auf dich an. Du bist ein Teil von einem großen Ganzen.“ Die große Wandlung beginnt, wenn uns aufgeht: „Du bist mit Gott verwandt, ein Kind Gottes. Du machst etwas, was dir klein scheint, aber in den Augen Gottes ist es groß.“

Du und Gott, Himmel und Erde. Die vielen kleinen Falten der Engel symbolisieren, dass Himmlisches und Irdisches hin und her geht. Glücklich ist, wer es nicht mehr trennen kann, wer in liebevollen Geschenken, in guten Worten, in aufrichtigen Gesten menschliche Liebe und Gottes Güte zusammensieht.

Das ist eine Sache des Glaubens – und die kommt zu Weihnachten ganz einfach und schlicht daher. In der Kinderkirche haben wir zu dem Adventslied: „Macht hoch die Tür“ zwei Bewegungen erprobt: „Du kannst zumachen und du kannst aufmachen.“
Wenn du frierst oder Angst hast, machst du zu und machst dich klein. Aber zu Weihnachten gehört das Gefühl, dass du die ganze Welt umarmen möchtest. Das ist Weihnachten – die Arme ausbreiten und das Herz aufmachen – ein Lächeln kommt dann von ganz allein. Das klingt naiv, aber das ist Weihnachten. Im Stall von Bethlehem ging den Menschen das Herz auf, und das verwandelt alles.
Wenn Du fröhlich Weihnachten feiern willst, dann breite einfach die Arme aus – draußen am Strand, wenn die Sonne scheint oder im Dunklen die Sterne über Dir leuchten.
Und danke Gott, einfach so – für einen anderen Menschen, für eine Liebe, einfach dafür, dass Du da bist. Eine große Umarmung – so geht Weihnachten. So kommen wir in Bethlehem an, und es ist nicht nur eine poetische Metapher, sondern unsere existentielle Wahrheit: Wir sind zur Liebe und Hingabe begabt und berufen. Und du wirst staunen mehr und mehr je weiter du dich hineintraust.

Amen

 

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de

Pastorin Susanne Zingel, Christvesper, 24.12.2022

Liebe Gemeinde,

vor einigen Tagen kam Christine Suhl, vielen hier bekannt als unsere Küsterin und Kirchengemeinderätin, mit zwei großen Kartons ins Gemeindebüro: „Wollt ihr mal sehen, was ich während Corona gemacht habe?“
Und da waren sie: Viele, viele Engel – gefaltet aus Gottesdienstzetteln. Eine Perle ist der Kopf, ein kleiner Faden lässt sie fliegen. Manchmal sind die Flügel bunt, das bunte Bild vom Gottesdienstblatt, die andere Seite einfach. Viele haben auf den Flügeln einen Spruch.
Christine hat sich die Mühe gemacht und die Flügel so akkurat gefaltet, dass der Wochenspruch oder ein Psalmwort zu lesen sind. So kommt jeder Engel mit einer eigenen ganz persönlichen Botschaft daher.
Diese kleinen Engel sind zu unseren Weihnachtsbotschaftern geworden. Jedem von Euch wird einer mitgegeben, und so lassen wir in diesem Gottesdienst durch Euch ganz viele in die Welt hinausfliegen.

„Engel sind Künstler der Verwandlung.
Sie verbinden Himmel und Erde und hinterlassen auf Erden himmlisches Glück.“

Das stimmt erst einmal ganz schlicht. Ein alter Gottesdienstzettel ist nutzlos. Der Gottesdienst wurde gefeiert, jetzt ist er wertlos.
Im besten Falle kann er als Altpapier wiederverwertet werden. Doch er selbst hat keine Daseinsberechtigung. Aber siehe da, hier werden lauter kleine Kunstwerke verteilt. Und die stehen für die Botschaft der Engel zu Weihnachten: „Siehe, wir verkünden euch große Freude, die allen Menschen widerfahren soll, denn Euch ist heute der Heiland geboren in Bethlehem, der Stadt Davids.“
Die Geburt des göttlichen Kindes im Stall von Bethlehem verwandelt alles um sich herum.
Maria ist so glücklich, Josef erleichtert, die Hirten gerührt und verlegen. Sie laufen los und erzählen allen Menschen von einem Wunder in ihrem Stall. Und das ist eine Verwandlung – man erkennt die Hirten nicht wieder. Sie selbst erkennen sich nicht wieder. Sie trauen sich, sich rufen anderen etwas zu, sie lachen, sind übermütig und vor allem nicht still und leise.

Verwandlung kommt von „Hin und her wenden“ – immer wieder hin und her – das passt zu den Papierengeln, die Flügel wurden immer hin und her gefaltet. Es braucht längere Prozesse für ein Wunder.

Die Hirten waren überzeugt, dass sie keiner braucht. Maria hielt sich für nichts Besonderes, und Josef schien etwas einfältig. Und das haben sie sich immer wieder gegenseitig bestätigt, sie sich selbst untereinander und die Umwelt hat auch mitgeholfen.

Dass einer wie neu und wie verwandelt hervortritt, ist ein Wunder, eine Berührung durch den Heiligen Geist. Fertig machen wir uns selbst und gegenseitig. Das geht ganz leicht. Aber Vertrauen stiften, Hoffnung Liebe versprechen, das ist jedes Mal ein Wunder. Dies Wunder feiern wir heute Nacht, denn Gott kommt in Christus zu uns, um all das in uns zu wecken.

Du kannst es auch andersherum wenden: Wo wir Vertrauen spüren, uns hervortrauen, dem Leben etwas zutrauen, uns überraschen lassen, Hingabe zulassen, da berührt uns ein himmlischer Segen. Dann erfahren wir uns als einen Teil von etwas Größerem, und dieses Große um uns herum ist gut und voller Liebe und hilft uns tausendfältig.

Hilfe von oben brauchen wir in diesem Jahr ganz besonders. Wie viele schlimme Nachriten haben uns in diesem Jahr erreicht. Man muss aufpassen, wieviel man an einem Tag davon verträgt. Dabei sind es für die meisten von uns Nachrichten, aber wir alle wissen, dass Menschen wirklich in Not sind. Und wir wissen nicht, wie wir helfen können. Wir hier können den Krieg nicht stoppen, die Inflation aufhalten, das Klima retten. Viele Menschen resignieren darum und sagen: „Man kann nichts machen, es ist egal, was du tust.“
Das ist nah an der Denke der kleinen Leute, die sich alle im Stall von Bethlehem treffen und die hören und spüren: „Du bist unendlich wichtig, es kommt auf dich an. Du bist ein Teil von einem großen Ganzen.“ Die große Wandlung beginnt, wenn uns aufgeht: „Du bist mit Gott verwandt, ein Kind Gottes. Du machst etwas, was dir klein scheint, aber in den Augen Gottes ist es groß.“

Du und Gott, Himmel und Erde. Die vielen kleinen Falten der Engel symbolisieren, dass Himmlisches und Irdisches hin und her geht. Glücklich ist, wer es nicht mehr trennen kann, wer in liebevollen Geschenken, in guten Worten, in aufrichtigen Gesten menschliche Liebe und Gottes Güte zusammensieht.

Das ist eine Sache des Glaubens – und die kommt zu Weihnachten ganz einfach und schlicht daher. In der Kinderkirche haben wir zu dem Adventslied: „Macht hoch die Tür“ zwei Bewegungen erprobt: „Du kannst zumachen und du kannst aufmachen.“
Wenn du frierst oder Angst hast, machst du zu und machst dich klein. Aber zu Weihnachten gehört das Gefühl, dass du die ganze Welt umarmen möchtest. Das ist Weihnachten – die Arme ausbreiten und das Herz aufmachen – ein Lächeln kommt dann von ganz allein. Das klingt naiv, aber das ist Weihnachten. Im Stall von Bethlehem ging den Menschen das Herz auf, und das verwandelt alles.
Wenn Du fröhlich Weihnachten feiern willst, dann breite einfach die Arme aus – draußen am Strand, wenn die Sonne scheint oder im Dunklen die Sterne über Dir leuchten.
Und danke Gott, einfach so – für einen anderen Menschen, für eine Liebe, einfach dafür, dass Du da bist. Eine große Umarmung – so geht Weihnachten. So kommen wir in Bethlehem an, und es ist nicht nur eine poetische Metapher, sondern unsere existentielle Wahrheit: Wir sind zur Liebe und Hingabe begabt und berufen. Und du wirst staunen mehr und mehr je weiter du dich hineintraust.

Amen

 

Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Severin
Pröstwai 20 • 25980 Sylt/Keitum
Telefon 04651/31713 • Fax 04651/35585 • kirchenbuero@st-severin.de